Mittelalter, stoffliches

Kopfputz!

Meine erste Mittelaltergewandung geht langsam aber sicher ihrer Vollendung entgegen!

Ok, das war gelogen. So ein Projekt ist nie wirklich beendet und eine Gewandung nie wirklich vollendet, soviel habe ich über dieses Hobby mittlerweile gelernt 😉
Aber mittlerweile habe ich fast alle Teile beisammen, die frau braucht, um für’s beginnende 14. Jhd vernünftig angezogen zu sein.
Neben dem Unterkleid und der Cotte sind das Strümpfe (in diesem Fall aus Wollstoff genäht), Gürtel und Schuhe (die konnte ich nicht selber machen, aber ich habe sie!) und vor allem: was auf’m Kopp.
Als nicht mehr ganz taufrische „Thirtysomething“, die mit allergrößter Wahrscheinlichkeit verheiratet war, wäre ich um 1300 niemals nicht mit unbedecktem Haar aus dem Haus gegangen. Das war zum einen dem Schutz der Haare vor Schmutz und Staub, zum anderen der Sittenstrenge des katholischen Hochmittelalters geschuldet.

Kopfbedeckungen für die Frau gab es in vielerlei Ausführungen und es wurde von berufenerer Stelle¹ schon viel darüber geschrieben, darum will ich mich jetzt hier nicht darüber verbreiten. Viel lieber stelle ich statt dessen meinen persönlichen Kopfputz für alle Gelegenheiten vor!

Material:

Alle hier vorgestellten Kopfbedeckungen habe ich aus leichtem weißen Leinenstoff genäht, den ich bei einem Stoffgroßhändler in Berlin erstanden habe.
Leider musste ich feststellen, dass meine übliche Taktik, herausgezogene Kettfäden aus dem Stoff als Nähfaden zu verwenden, hier nicht funktioniert hat. Die Fäden sind andauernd gerissen und die Naht machte keinen wirklich stabilen Eindruck.
Von meinem Untergewand hatte ich noch weißes Leinengarn übrig, dass aber für den feineren Stoff des Kopftuches viel zu stark und bockig war. Darum habe ich jeweils eine Länge Nähfaden abgeschnitten und aufgespleißt. Das Garn ist 6fach verzwirnt, so dass ich nun zwei 3fädige Fäden hatte. Das passte viel besser und ließ sich wunderbar verarbeiten.

Techniken:

Da alle drei Teile im Grunde nur Tücher mit mehr oder weniger simplem Zuschnitt sind, braucht es keine großen Nähfähigkeiten. Sie werden nur zugeschnitten und -von Hand- gesäumt.
Zum Säumen habe ich mich zum ersten mal an einem Rollsaum versucht. Hier ist die hohe Knitteranfälligkeit von Leinenstoff mal ein wirklicher Vorteil: Wenn man die Stoffkante zwischen den Fingern einrollt (geht am besten mit ganz leicht befeuchteten Fingern), bleibt der Stoff nahezu in dieser Position und man spart sich die Verwendung von Stecknadeln.

Einfach und praktisch: das Kopftuch

Als Gattin eines Handwerkers in der jungen Stadt Berlin gab es eine Menge Arbeit in Haus und Werkstatt. Die Kopfbedeckung für den Alltag musste daher vor allem eins sein: praktisch.
Ein Kopftuch schützt das Haar vor Staub und Dreck, verhindert, dass sich lösende Strähnen ins Gesicht fallen und bedeckt außerdem ausreichen züchtig die Haarpracht.
Es ist schnell umgebunden, frau braucht weder Nadeln noch Schapel oder ähnliche Fummelei und das ungefärbte Leinen kann zum Waschen problemlos ausgekocht werden.
Größe, Schnitt und Bindeweise des Kopftuches können sich erheblich unterscheiden. ich habe mich für einen einfachen dreieckigen Zuschnitt entschieden.
Die lange Seite ist ziemlich genau einen Meter lang, die Höhe zur Spitze beträgt 68cm.
Gebunden ist es wie gesagt sehr fix: mit der langen Seite zur Stirn auf den Kopf legen, dabei den Saum ein wenig umschlagen. die Enden im Nacken knoten, wieder nach vorne führen (dabei leicht eindrehen), kreuzen und unter den entstandenen Wulst stecken.


Die Ecke, die im Nacken hängt wird unter den Dutt bzw. den Knoten gesteckt.
Wie gesagt: es gibt dutzende Arten, ein Kopftuch zu binden. Diese gefällt mir, weil sie schnell geht, gut hält und durch den umgeschlagenen Rand mit den drunter gestopften Spitzen nicht so sehr nach „Piratenkopftuch“ aussieht. Ist einfach etwas lockerer von der Optik. Außerdem gibt es so keine Spitzen, die einem vor der Nase baumeln können, wenn man sich nach vorne beugt.

Darfs etwas züchtiger sein? Der Wimpel

Im Gegesatz zum Kopftuch bedeckt der Wimpel nicht nur das Haar sondern den ganzen Kopf inklusive Hals und -je nach Schnitt- das Décolleté, so dass nur das Gesicht frei bleibt.
Das ist auf der einen Seite natürlich noch viel züchtiger und anständiger als ein einfaches Tuch. Auf der anderen Seite wärmt die größere Stoffmenge auch 😉

Nach dieser Anleitung von Tempora Nostra habe ich einen Wimpel wie unter „Wimpel Variante 2“ zugeschnitten.
Das ganze Ding ist 170cm lang, an der breiten Seite 43cm hoch und läuft -abweichend vom TN-Schnitt- ab etwa 63cm komplett spitz aus.

Mit dem Wimpel bin ich noch nicht ganz zufrieden. Entweder ist er etwas knapp bemaßt, ich noch zu ungeübt im Wickeln oder ich muss mir eine andere Frisur darunter überlegen. Jedenfall finde ich ihn etwas knapp. Insbesondere am Hals ist bei mir deutlich weniger Stoff als auf der Abbildung von Tempora Nostra. (Auf dem Bild seiht man auch, dass mir die Ecke auf der linken Seite am Kinn rausgerutscht ist.)
Ich werde noch ein bisschen üben und mal mit unterschiedlichen Frisuren experimentieren, vielleicht gibt sich das dann.
(Bei allen hier gezeigten Fotos hatte ich meine -taillenlangen- Haare im Nacken zu einem Knoten (Winding Bun) geschlungen und mit einem kurzen Stab festgesteckt.)

Eher ein Kombi-Teil: Der Schleier

Während der Schleier von besseren Gesellschaftschichten auch ’solo‘, gehalten von Nadeln oder Schapel, getragen wurde, würde ich bei einer Handwerkerin eher darauf setzen, dass er in Kombination mit einem Wimpel oder sogar einem Gebende getragen wurde.
Ich verwende ihn zusammen mit dem Wimpel, weil der mir alleine optisch einfach nicht so richtig gut gefällt. Das Zusammenspiel von Wimpel und Schleier ist schon ziemlich anständig, schmeichelt dem Gesicht durch den weicheren Fall aber deutlich mehr als der reine -ziemlich strenge- Wimpel, finde ich.
(Und niemand hat gesagt, dass ich mich in Gewandung nicht auch schick fühlen darf, richtig? 😉 )


Schleier konnten rechteckig, (halb-)rund oder (halb-)oval sein. Wegen des schöneren Falls habe ich mich für letztere Variante entschieden.
Die gerade Seite misst 100cm, an der höchsten Stelle der Rundung sind es etwa 62cm.
Der Schleier wird mit der gearden Seite richtung Stirn auf den Kopf gelegt, eventuell etwas eingeklappt, um sich besser dem Kopf anzupassen, und dann mit Nadeln festgesteckt. ich verwende momentan noch möglichst unauffällige moderne Stecknadeln, möchte mir aber noch originalgetreue Gebende-/Schleiernadeln aus Messing zulegen.

 

¹zum Beispiel :
http://www.tempora-nostra.de/kopfbedeckungen_frauen.shtml  (guter Überblick über versch. Formen, inklusive Abbildungen, Quellen und Anleitungen)
http://wh1350.at/literatur-und-quellen/kopftuecher-haarsaecke-und-hauben/  (Tolle Quellensammlung zu Abbildungen von Kopfbedeckungen!)

Ein Gedanke zu „Kopfputz!“

  1. Liebe Handmaid,

    ich finde das alles sehr interessant. Vielen Dank für’s Zeigen!

    Eine Frage: Trugen denn die verheirateten Frauen im Mittelalter so lange Haare wie Du, wenn sie sie doch nicht zeigen durften und das Pflegen noch mehr Arbeit machte als heute? Wenn Du Probleme hast, die langen Haare unter den Kopfbedeckungen unterzubringen, liegt das vielleicht daran?

    Viele Grüße,
    Henriette

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